Kaufberatung gebrauchter Tesla – Oder wie man die Batterie beim Tesla auslesen kann

Ich mag ja keine Clickbait-Title, denn sonst hätte ich geschrieben:

Tesla Batterie Management gehackt! – Voller Zugriff auf Akku, BMS und Drivetrain.

Wer wollte nicht schon immer wissen,

  • wieviel kWh “reale”, nutzbare Kapazität sein Akku hat? – Spoiler: Es ist weniger als hinten drauf steht.
  • Wieviel Ladezyklen der Akku hat?
  • Wieviele davon DC-Schnellladungen / Supercharger waren?
  • Wie die Degeneration des Akkus (auch im Vergleich mit anderen Fahrzeugen) aussieht?
  • Müsste der Akku nicht als Garantiefall getauscht werden?
  • Wieviel KW Antriebsleistung das BMS wirklich freigibt?
  • Oder eher trivital: Wieviel gerade die Heizung verbraucht?

Kurz gesagt, wie es dem teuerstem Bauteil des e-Autos geht, dem Akku, vor allem, wenn man es gebraucht kaufen, oder verkaufen möchte.

Wo 75 draufsteht ist nur 67,7 drin

Wer die Details überspringen möchte und direkt die Kaufberatung für gebrauchte Teslas lesen will, scrollt bis zur Überschrift “Kaufberatung”

E-Autofahrer sind aktuell noch die “Early Adopter”, die Nerds. Oder sagen wir mal, die besonders Neugierigen. Dazu noch häufig aus der IT oder mindestens sehr technologieaffin. So wundert es nicht, dass sich die meisten von uns nicht mit Trip Computer Screen vom User-Interface oder den Informationen, welche die Hersteller (in diesem Fall insbesondere Tesla) zur Verfügung stellen, zufrieden geben.

Ich wollte schon immer mal “hinter die Kulissen schauen”. Den “Service Screen sehen”. Das ist jetzt endlich möglich. Dank selbstgelötetem Kabel, CAN-BUS auf Bluetooth OBD2-Adapter und Handy-App können nun die Daten die der Drivetrain des Tesla generiert, dargestellt werden. Logging, Export, Statistiken, Vergleiche kommen noch später. Wenn man mal Daten hat, kann man unendlich kreativ damit werden. Der wahre Wert von Big-Data ist ja nicht der Datensee, sondern die Erkenntnisse, die man daraus gewinnt. Oder genau gesagt meine Fragen, via Filter/Abfragen/Graphen zu beantworten.

Welche Daten sind zugreifbar?

Vorweg: Das ist ein Read-Only Zugriff! Wir gucken nur. Hier wird nichts zurück ins Fahrzeug geschrieben. Wir ändern keine Werte, Daten, Settings! Also Tesla, zurücklehnen, wir lesen nur.

Der Tesla kommuniziert mit seinen Systemen und Steuergeräten (wie jedes andere aktuelle Fahrzeug auch) via  CAN-BUS. Diese kann man via OBD2 abgreifen. Für den Stecker, bis zum OBD Dongle gibt es inzwischen fertige Lösungen. Jetzt noch die Daten filtern, aufbereiten, visualisieren. Dafür gibt es Mobile Apps. (Links unter dem Artikel)

  1. OBD2-Stecker hinter der Ablage unterhalb der MCU freilegen: Einmal beherzt und kräftig an der Ablage nach unten ziehen, plöpp, ab.
  2. OBD2 Stecker zu Bluetooth Adapter einstecken
  3. Dongle mit Handy verbinden
  4. Scan my Tesla App kaufen und öffnen
  5. fertig

Die Fülle der verfügbaren Daten ist gewaltig. Ein Screenshot sagt mehr als 1000 Worte. Die Highlights von dieser Liste besprechen wir weiter unten.

einmal Protokoll mit alles und scharf. Was der CAN-BUS so zum Thema BMS hergibt

Das ist noch längst nicht alles, wer die ungefilterte Liste sehen möchte, klickt hier.  Wer sich sein Akkupack auf Zellebene anschauen möchte, klickt hier.

Wer sich durch das Bild gescrollt hat, dem wird klar: Tesla hat kein Interesse an der Transparenz, zumal viele dieser Werte via Update (OtA) geändert und angepasst werden können. Und das übrigens auch ohne Zutun oder Bestätigung des Besitzers.

Wir erinnern uns an den positiven Fall bei dem Teslafahrer, die von den Naturkatastrophen (Hurrikane im Osten der USA, Waldbrand im Wester) betroffen waren, mehr Reichweite freigeschaltet bekommen haben. Ich denke, das hier die Puffer gestrichen wurden und für ein paar Tage eben auch die erlaubten Grenzen des Akkus auf Kapazität und nicht auf Lebensdauer getrimmt waren. Im Übrigen wurde die Reichweite danach auch wieder sukzessive auf “normal” reduziert.

Den negativen Fall hat Michael Kluge von e-mobility driving solutions  gefunden: Nach einem Update ging ebenfalls sukzessive seine Reichweite runter. Von Tesla gewollt und absichtlich und ohne vorher das Hurrikane-Upgrade erhalten zu haben…

Spannende Videos dazu hier:

Seine Website dazu hier:

Startseite

Bei der grossen Fülle von Informationen kann man schnell den Überblick verlieren, daher meine

Highlights vom “Scan my Tesla”

      • Nominal full pack – das ist die real verfügbare Kapazität des Akkus. Je höher die Zahl, desto mehr Reichweite.
      • Energy buffer, – das ist der Puffer unterhalb von 0 km Restreichweite, bis das Auto stehen bleibt. – bei mir 4 kWh, was bedeuten würde, das ich noch ca 18km fahren kann, wenn meine Reichweite mit 0 km angezeigt wird. (Nicht zu empfehlen – der Puffer wird dynamisch angepasst und je tiefer man die Batterie entläd, desto mehr altert die.)
      • Power Max – was lässt das BMS für eine Leistungsentnahme zu?
      • DC Charge total, AC Charge total – wie ist das Verhältnis, wie oft wurde am Supercharger geladen? Das ist der erste Indikator, wie sehr der Akku rangenommen wurde: Schnellladen geht auf die Lebensdauer.
      • Charge total geteilt durch Odometer – das lässt auf den Fahrstil schliessen.

Warum sollte man sowas machen?

Meine Motivation ist ganz einfach erklärt. Ich hatte mein Model X aus Kostengründen als softwarelimitierten 60er bestellt, den Preisverfall der Akkus antizipiert und dann später das Upgrade gekauft. Und dabei viel Geld gespart.

Ich bin damit meiner Strategie gefolgt, nicht in Features zu investieren, die einem massiven Preisverfall ausgesetzt sind.

Preisverfall OtA Akku-Upgrade, Preise von 2017

Akkus werden ja bekanntlicher weise immer günstiger und vor allem damals, aber auch noch heute, ist die Akkukapazität einer der Preistreiber für Elektroautos.

Hier die ganze Geschichte des Upgrades:

 

Aber die Freude war getrübt, denn mein 60er hatte ab Werk ca 290 km reale Reichweite und nach dem Upgrade so etwa 300 km real. Der Reichweitenzuwachs ging also rechnerisch mit angenommen +15kWh nicht auf.

Meine Nachfragen bei Tesla wurden allesamt freundlich, aber mit dem Tenor – alles OK, weiterfahren, alles so wie es sein soll – beantwortet. x-eMails lang.

Das hat mir aber keine Ruhe gelassen und nach einigen Testfahrten zum Thema Reichweite und Kapazität war allein rechnerisch klar, 75kWh sind da nicht drin. Mit dem was man via MCU, Tripcomputer, Messungen auf Seite Ladesäule etc war ich zwar schon ziemlich sicher, das hier deutlich weniger als 15 kWh dazugekommen sind, aber beweisen konnte ich es nicht. Und Tesla hat mir bisher immer bestätigt, das mit meinem Akku und dem Upgrade alles in Ordnung ist.

Nun kann ich aber via OBD2-Bluetooth Dongle, kleiner Software im Handy und einem selbstgelöteten Stecker auf den CAN-BUS des Tesla (lesend) zugreifen und endlich alle “Backend”-Informationen aus dem Fahrzeug auslesen. Ich hatte 65 kWh geschätzt, das war angesichts meines “Reverse Engineerings” ohne Zugriff auf den CAN-BUS gar nicht so schlecht – 63,7 kWh sind es laut OBD2 aktuell.

Ich wusste schon seit 2016, dass die Typenbezeichnungen an der Heckklappe nicht direkt mit der verfügbaren Batteriekapazität gleichzusetzen ist, aber ich hatte nicht erwartet, das der Unterschied so gross ist. Jason Hughes hat da wertvolle Grundlagenforschung betrieben und Zugriff auf den Service Screen, um den ich ihn immer beneidet habe:

?Seriously, @TeslaMotors, stop making up numbers. 60 to 75 upgrade adds 10 kWh, not 15. Image from Tesla’s own in-car dev UI on brand new 60D?

 

Dieser Artikel aus Elektrek hat mich damals sogar dazu gebracht, den 60 er zu bestellen.

Nur habe ich eben nie meine gekauften +15 kWh erhalten, obwohl es so auf meiner Rechnung und den Screenshots steht. Und jetzt habe ich endlich belastbare Daten in der Hand, um meine bezahlten 15 kWh einzufordern.
Durch “normale” Kommunikation mit Tesla werde ich nicht weiterkommen, den Weg bin ich mit gegangen. Ich befürchte, das werden die Juristen prüfen müssen oder es Alternativen für mich gibt, an meine 15 kWh oder eine Kompensation zu kommen. Und wenn das Kreise zieht sollten wir mal überlegen, wie wir unsere Interessen bündeln könnten.

Da einzige was mich etwas tröstet: Auch das Model X P90D meines Nachbarn hat nur 79,7 kWh verfügbar. So scheint meiner also kein Ausreisser zu sein, ich hatte nämlich schon vermutet, dass ich ein eher schwaches Akkupack abkommen habe, da meiner ja ursprünglich ein 60er war…

Model X 75 D Model X 90D
Nominal full pack (kWh) 67.5 79.7
Energy Buffer (kWh) 4 4
Usable full pack (nominal-buffer) (kWh) 63.5 75.7
DC Charge total (kWh) 3234 1907
AC Charge total (kWh) 18814 9275
Charge Cycles (x) 395 173
ODO (km) 79718 34425

Zwei Datensätze sind natürlich nicht repräsentativ. Ich bereite aktuell mit Michael Kluge eine Datenbank vor, die Fahrzeug Modell (S/3/X), Typ (75/90/100), ODO, Anzahl Zyklen auf eine Punktewolke abbildet, an der man die typische Degeneration im Vergleich mit der des eigenen Akkus ablesen kann. Wenn man dann einen Ausreisser hat, können die Daten wider herum helfen, einen Garantiefall durchzusetzen.

Kaufberatung gebrauchter Tesla

Wer sich für einen Gebrauchten interessiert, kann mich gerne kontaktieren, ich helfe dann gerne beim Auslesen des BMS und bei der Interpretation der Daten. Aktuell repräsentiert der Akku etwa 30% des Fahrzeugwertes und was früher das Checkheft und die Ölwechsel waren, werden heute solche Analyse-Tools. Diese Daten bieten auch das erste mal ein Instrumentarium, um einen Akkutausch auf Garantie bei Tesla durchzusetzen. Ich bin überzeugt davon, das sich solch ein Akku-Check in jedem Fall lohnt. Auch beim eigenen Fahrzeug um mal einen ersten Datenpunkt zu setzen, um eventuelle Ansprüche in der Zukunft durchsetzen zu können.

Und wenn man ein gebrauchtes e-Auto /Tesla kaufen möchte, interessiert vor allem eins: Der Zustand der Batterie, die Degeneration. Die tatsächlich nutzbare Kapazität.

Und hier haben wir einige interessante Informationen aus dem “scan my Tesla App”:

Alles, was Sie schon immer über Ihren Tesla erfahren wollten, ihnen Tesla aber niemals verraten würde: Informationen zu…

      • Nutzbarer, realen Kapazität des Akkus
      • Degeneration des Akkus
      • Aktueller Kapazitätsverlust durch Alterung
      • Anzahl Ladezyklen
      • Zelldrift
      • geladene Energiemenge via DC (Schnelladungen am Supercharger)
      • geladene Energiemenge via AC
      • Freigegebene Leistung vom BMS
      • Aktueller Verbrauch im 12V-Netz
      • elektrische Effizienz der Systeme
      • verfügbares Drehmoment und Leistung
      • und alles was Sie sich nie über Ihre Batterie getraut haben zu fragen.

Wie oben geschrieben sind die Daten erstmal nichts. Welche Erkenntnisse zieht man daraus, und hier habe ich einige Ideen:

Analytics  Model X 75 D  Model X 90D  
AC/DC Verhältnis 6 5 je kleiner die Zahl, desto häufiger wurde der Akku schnell geladen, wobei Schnellladungen den Akku eher altern lassen.
Verbrauch (kWh/100km) 27.7 32.5 Indikator, wie “schwer” das Strompedal ist, wie Dynamisch der Fahrer unterwegs war und damit ein Indiz, wie sehr das Fahrwerk und der Antriebsstrang verschlissen sein könnte.
km pro Charge Zyklus (km) 202 199 Indikator, ob das Auto immer richtig leer gefahren wurde – je grösser der Lade/Entlade-Hub jeweils ist, desto mehr altert der Akku.
Differenz zum Typenschild (kWh) 11.5 14.3 Wieviel kWh “fehlen”? Als indikator für den Kapazitätsverlust der Batterie bzw seinem Alterungszustand.
Differenz zum Typenschild (%) 85% 84% Wieviel % der Typenschild-Kapazität ist verfügbar?

So langsam wird es ja interessant mit den gebrauchten Tesla Model S und X. Das Model S ist seit 7 Jahren, (seit Mitte 2012) , das Model X seit 4 Jahren (Mitte 2015) auf dem Markt. (Auch ein M3 kann man auslesen…)

Da manche Leute ihre Fahrzeuge leasen, sind nun auch schon einige Leasingrückläufer auf dem Markt und auch privat gekaufte finden sich nun in relevanter Menge auf den Portalen oder direkt bei Tesla.

Wer sich bei Autoscout 24 oder bei Tesla Inventory  direkt inspirieren lassen möchte: Es geht los bei 33.000 CHF für ein 2014er Model S 60 mit 110.000 km bis hoch zu einem 134.900 CHF Model X P100D Ludicrous von März 2019 mit 7000 km und  der mutigen Ansage, das die Batterie 100 kWh hätte. Let´s test. Die Auswertung der Akkus wäre sehr interessant.

Wem das nicht reicht, der kann sich die volle Nerd-Packung “Big Data holen.

Big Data während der Fahrt

Scan my Tesla kann auch während der Fahrt loggen:

Hier gibt es dann noch Infos zum aktuellen Status des Drivetrain – immer interessant, aber wie gross der Mehrwert ist, muss jeder für sich entscheiden.

Wer sich jetzt denkt, das man diese Daten doch über die Lebensdauer des Fahrzeuges dokumentieren sollte wird mit Langzeitlogging glücklich:

Langzeit-Logging

Aus Datenschutz-technischen Überlegungen sollte man sich schon fragen, warum sollte man das wollen? Aber es gibt eine ganze Reihe sinnvolle Anwendungen des Langzeit-Logging für ein digitales Fahrtenbuch, die Flottenüberwachung, zukünftige Versicherungsmodelle etc. Und solange ich weiss wo die Daten liegen, wem die gehören und wer darauf Zugriff hat, warum nicht. Wer also richtig tief einsteigen möchte, installiert sich zu Hause einen Tesla Logger: Das ist einen kleinen Rasperry Pi den man an seinen Router hängt und der in Regelmässigen Abständen den Tesla abfragt. Damit kann damit ein kontinuierliches Logging vornehmen.  Und auswerten. Und da sind wir dann wieder bei “Der wahre Wert von Tesla“, über den es ja schon eine Podcast Folge und einen Blogartikel gibt.

 

Es bewahrheitet sich mal wieder: Ein Tesla ist ein Computer auf Rädern. Und Computer sind gut im Daten verarbeiten, aber auch beim Erzeugen.

Es ist und bleibt jedoch der Mensch, der die richtigen Fragen stellen muss um aus den Daten wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Es würde mich freuen, wenn ich bei der Analyse der Fahrzeuge helfen kann, sei es aus reiner Neugierde oder um eine Kaufentscheidung zu treffen. Das Thema Tesla, aber auch moderne Fahrzeuge im Allgemeinen werden mehr und mehr ein IoT/Big Data Thema, und dabei helfe ich gerne. Ihr könnt mich via Mail oder bei Twitter kontaktieren.

Linkliste:

CAN-BUS Adapter mit ODB2 Dongle bestellen

Scan my Tesla App (Android)

Tesla Logger kaufen – Youtube Video

Tesla Logger Handbuch

Jason Hughes, der Tesla-Hacker (Twitter)  – Blog

Elektrek von 2016 zu Tesla Akku Kapazität

Tesla Battery degeneration data

 

 

2 thoughts on “Kaufberatung gebrauchter Tesla – Oder wie man die Batterie beim Tesla auslesen kann”

  1. Hallo, kann nur bestätigen, toller Bericht. Habe einen S 75 D Baujahr 2019 und meine Akkuwerte sind nach 47TKm fast identisch.
    Einmal Tesla ich denke immer Tesla. Bin 70 Jahre alt und in den nächsten Jahren gibts nichts besseres. Vor allen Dingen das Ladenetz. Reinsetzen, losfahren Gedanken ans Laden kann sich beim Fahren machen.
    Noch nie waren die Supercharger besetzt oder defekt.

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