Ioniq 6 im Alltagstest

Die vollelektrische Reiselimousine von Hyundai

Zwei Wochen lang hatte ich das Vergnügen, den Hyundai Ioniq 6 – in meinem Alltag zu integrieren. Dieses Auto ist nicht nur ein Statement auf der Straße, sondern auch ein ausgereifter Technologieträger, der zeigt, wie weit Hyundai in der Elektromobilität gekommen ist.

Design: Ein echter Hingucker

Beim ersten Anblick des Ioniq 6 könnte man meinen, Hyundai hätte ein Blind Date zwischen einem Porsche und einem Mercedes CLS arrangiert – und das Ergebnis ist bemerkenswert. Die stromlinienförmige Silhouette mit einem Luftwiderstandsbeiwert von nur 0,21 macht nicht nur optisch etwas her, sondern trägt auch maßgeblich zur Effizienz bei. Die aerodynamischen Feinheiten wie die elektrischen Klappen, Diffusoren und der mögliche Ersatz der Rückspiegel durch Kameras sind nicht nur technische Spielereien, sondern erhöhen auch die Reichweite. Die Mischung polarisiert und nach 14 Tagen tendiere ich dazu, es „schön“ zu finden. Mindestens hebt sich das individuelle Design von der breiten Masse erfreulich ab und ist der bisher windschlüpfrigste in der IONIQ-Familie bei Hyundai. Wenn man dann noch beachtet, das der Windwiderstand im Quadrat zur Geschwindigkeit wächst erreicht man wirklich beeindruckende Verbrauchswerte – vor allem in der Schweiz, wo oft nur 80-100 km/h oder maximal 120 km/h gefahren wird.

Effizienz: Ein Sparfuchs auf der Autobahn

Mit einem offiziellen WLTP-Verbrauch von 15,4 kWh/100 km bei der Allrad-Version zeigt der Ioniq 6, dass Effizienz und Reichweite keine Fremdwörter für Hyundai sind. Über 400 km Reichweite im realen Alltagsbetrieb sind keine Utopie, sondern Realität. Ein Ausflug nach Frankfurt und zurück – insgesamt 800 km – ließ sich ohne Schweißperlen auf der Stirn bewältigen. Die Beschleunigung ist spritzig und die Höchstgeschwindigkeit von 192 km/h wird souverän erreicht, auch wenn das Auto signalisiert, dass da nach dem Abriegeln noch deutlich mehr gegangen wäre. Die Beschleunigung ist wirklich ordentlich (5,1s 0.100km/h) und für eine auf Komfort ausgelegte Limousine mit langem Radstand vollkommen ausreichend, auch wenn ich schon „brachialere“ e-Autos gefahren habe.

Technische Besonderheiten: Von genial bis “Warum?”

Die drei Fahrmodi Eco, Normal und Sport bieten eine nette Spielerei, auch wenn man letztendlich doch bei „Normal“ landet und feststellt, dass die Unterschiede eher subtil sind. Die verschiedenen Motorsounds, die man zuschalten kann, sind eine nette Geste in Richtung Sound-Enthusiasten, auch wenn man sich fragt, wer das wirklich braucht. Der „bis 30 km/h“ Summer ist vom Klang und Lautstärke her angenehmen, ein Glück, denn ich habe nicht herausgefunden, wie der Abschaltbar wäre. Den Knopf dazu habe ich nicht gefunden. Weder im Display noch sonst wo als „Schalter“ im Cockpit. Und von diesen Schaltern hat der IONIQ ganz im Gegenteil zur Tesla-Philosophie tatsächlich einige. Und dazu an verschiedensten Stellen verteilt. Z.B. Fensterheber in der Mittelkonsole und damit leider nicht immer sinnvoll von der Platzierung, oder Funktion: Der EV-Start/Stop-Knopf – eine Hommage an die Verbrennervergangenheit, die eher verwirrt als hilft und dazu noch passende Fehlermeldung über Gangwechsel bereithält. Wenn man das Auto verlässt ohne es abzuschalten, lässt es nicht nicht abschliessen, aber das sind Kleinigkeiten, die sich womöglich später sogar via Software anpassen lassen könnten.

Innenraum: Komfortzone der Extraklasse

Hier zeigt Hyundai, dass Elektromobilität nicht auf Kosten von Komfort gehen muss. Der Innenraum ist geräumig, die Sitze bequem und die Beleuchtung sorgt für eine angenehme Atmosphäre. Die Kommunikation des Fahrzeugs mit seinem Fahrer ist allerdings manchmal etwas zu enthusiastisch, besonders wenn es um Warnungen und Hinweise geht.

Multimedia und Konnektivität im Hyundai Ioniq 6: High-Tech für die Straße

Im Herzen des Hyundai Ioniq 6 schlägt eine moderne Multimedia- und Konnektivitätszentrale, die Fahrer und Passagiere gleichermaßen begeistert. Standardmäßig an Bord ist ein Navigationssystem, das nicht nur mit Echtzeitverkehrsinformationen aufwartet, sondern auch die Planung von Ladestopps nahtlos in die Routenführung integriert. Für Musikliebhaber ein echtes Highlight: Das serienmäßige BOSE-Soundsystem in der UNIQ-Ausführung, bestehend aus acht Lautsprechern inklusive Subwoofer, verspricht ein akustisches Erlebnis der Extraklasse.

Die Anbindung des Smartphones erfolgt mühelos über Bluetooth, ergänzt durch zwei USB-C-Anschlüsse vorne – einer für Daten und Laden, der andere ausschließlich zum Laden – sowie zwei weitere Ladeanschlüsse im Fond. Die Topausführung verwöhnt zusätzlich mit einem V2L-Adapter, der das Anschließen von 230-V-Geräten an der Ladebuchse ermöglicht, während eine integrierte 230-V-Steckdose unter der Rücksitzbank für ständige Stromversorgung sorgt.

Nicht zu vergessen: Die serienmäßige induktive Ladeschale und die Möglichkeit, das Smartphone via Android Auto und Apple CarPlay zu verbinden – wobei letzteres ein USB-Kabel voraussetzt, was den Nutzen der induktiven Ladefunktion für manche Anwendungen einschränkt.

Darüber hinaus ermöglicht die zugehörige App den Fernzugriff auf zahlreiche Fahrzeugfunktionen, von der Überwachung bis zur Steuerung aus der Ferne. Das Navigationssystem bleibt mit Online-Verkehrsinformationen und Kartenupdates, die über die eingebaute SIM-Karte bereitgestellt werden, stets auf dem neuesten Stand. Leider vergisst das Auto immer mal wieder Einstellungen (i-Pedal, Warntöne etc) und auch das Handy musste ich mehrfach neu koppeln.

Nicht alles was glänzt, ist Gold

Trotz aller Lobeshymnen gibt es auch Kritikpunkte. Das autonome Einparken gleicht eher einem technischen Kammerspiel als einer Zeitersparnis. Bei meinem Test hat das Fahrzeug über 3 Minuten versucht in eine sehr grosszügige Parkbox rückwärts zu manövrieren und hat dann auch noch zwischendurch aufgegeben. Der Frunk bietet gerade so genug Platz für das Ladekabel, und das Multimedia-Display hatte leider seine Aussetzer und der Boot-Vorgang dauert manchmal länger als die ersten 200m Fahrt. Ärgerlich wenn man rückwärts ausparken möchte und dann auf die Kamera verzichten muss, da der Bildschirm noch nicht aktiv ist. Die Ultraschall-Sensoren funktionieren jedoch. Doch wenn man den richtigen Ladepunkt findet, offenbart der Ioniq 6 seine wahre Stärke: Ladeleistungen von bis zu 231 kW zeigen, was technisch möglich ist.

Fahrstabilität des Hyundai Ioniq 6: Sicher und souverän auf jeder Straße

Der Hyundai Ioniq 6 zeichnet sich durch eine beeindruckende Fahrstabilität aus, die ihm ein sicheres und festes Fahrgefühl verleiht, selbst bei hohen Geschwindigkeiten. Der Geradeauslauf ist tadellos, unterstützt durch einen langen Radstand, der nicht nur zur Stabilität beiträgt, sondern auch entspanntes Fahren ermöglicht. Dank des effizienten Allradantriebs bietet der Ioniq 6 exzellente Traktion, selbst auf rutschigen Untergründen, wobei Schlupf kaum ein Thema ist.

Das Fahrverhalten bleibt auch in anspruchsvollen Situationen sicher, mit minimalem Untersteuern, das lediglich bei deutlich überhöhter Geschwindigkeit in Erscheinung tritt. Das Fahrzeug lässt sich leicht und mit geringem Aufwand lenken, wobei es durchaus möglich ist, Kurven dynamisch und flott zu nehmen.

Das LED Licht ist hell und von angenehmer Lichtfarbe. Die Fernlicht-Automatik blendet die entgegenkommenden Fahrer nicht und ist im Aufblende-Verhalten eher defensiv und spät. Dazu gibt es leider keinerlei Kurvenlicht, was ich gerade rund um meinen Wohnort mit all seinen Serpentinen, vermisst habe.

Unter der Haube: Technologie trifft auf praktische Überlegungen

Mit 77,4 kWh ist das Auto zeitgemäss ausgestattet und langstreckentauglich. Wer viel auf der Autobahn fährt, wird jedoch das mitgelieferte 230V-Steckdosen-Kabel nicht nutzen, das bleibt für Notfälle und Hotel-Tiefgaragen ohne Wallbox im Frunk. Apropos Wallbox: In etwa acht Stunden ist der Akku bei 11 kW wieder voll. So lange schlafen auch viel-beschäftige Geschäftsreisende. Doch die richtige Begeisterung kommt beim Schnellladen: Dank des 800-V-Systems dauert es unter idealen Bedingungen nur 19 Minuten, um von 10 auf 80 Prozent zu kommen – vorausgesetzt, man findet eine entsprechend leistungsfähige Ladesäule. Porsche, EnBW, FastNet etc haben da einiges im Angebot. Hyundai hat auch an kalte Tage gedacht und ermöglicht eine Vorkonditionierung des Akkus für das Schnellladen, insofern der Schnellladers als Ziel im Navi gewählt wird. Schade kann man die Ladestationen im Navi nicht nach Leistung sortieren, sondern nur nach Distanz vom Standort.

Mit voller Batterie verspricht der Ioniq 6 eine Reichweite von etwa 465 km, die bei bedachter Fahrweise noch übertroffen werden kann. Doch das Raumwunder hat auch seine Tücken: Mit einer Länge von fast 5 Metern und einem Wendekreis, der Stadtmanöver zur Geduldsprobe macht, zeigt sich der Ioniq 6 von seiner sperrigen Seite, obwohl die Park-Piepser und Kamers sehr guten Überblick verschaffen. Hervorzuheben ist die Zuladung, die mit 367 kg eher auf dem Niveau eines Kleinflugzeuges liegt (und die sind eigentlich immer überladen!) als auf dem einer Reiselimousine. Vier Erwachsene plus Gepäck verkraftet der IONIQ nur knapp. Für Fahrradfans interessant: Die optionale Anhängerkupplung hält auch zwei Pedelecs ohne Probleme.

Ein weiteres Highlight ist die optionale Vehicle-to-Load-Funktion, kurz V2L, die es dem Ioniq 6 ermöglicht, andere Geräte oder sogar Elektroautos mit Strom zu versorgen. Beim I.D.3 hat das geklappt, die Renault Zoé wollte den Strom aus dem IONIQ nicht. V2L ist ein echtes Plus für diejenigen, die gerne unabhängig bleiben und ihre Off-Grid-Berghütte oder die Camping-Ausrüstung betreiben wollen.

Kofferraum des Hyundai Ioniq 6: Praktisch mit Einschränkungen

Der Hyundai Ioniq 6 bietet mit einem Standardvolumen von 405 Litern einen großzügigen Kofferraum für eine Mittelklasse-Stufenhecklimousine. Durch Umklappen der Rücksitzlehnen lässt sich das Volumen auf bis zu 760 Liter erweitern, unterstützt von zusätzlichem Stauraum unter dem Kofferraumboden und im Frunk. Jedoch erschwert die hohe Ladekante von 75 cm und eine 15 cm hohe Stufe zwischen Ladekante und -boden das Be- und Entladen sperriger Gegenstände.

Die Öffnung des elektrisch betriebenen Heckdeckels fällt relativ klein aus, was das Verladen großer Objekte limitiert. Größere Personen müssen zudem aufpassen, sich nicht den Kopf an der Klappe zu stoßen. Die Rücksitzlehnen können nur vom Kofferraum aus umgeklappt werden, ohne dass sie selbsttätig fallen und geben dann eine mässig grosse Öffnung frei. Eine Durchlademöglichkeit für z.B. Ski, fehlt gänzlich. Kleinere Gegenstände lassen sich in einem Fach unter dem Laderaumboden verstauen, während praktische Ablagemöglichkeiten wie Taschenhaken oder Gepäcknetze nicht vorhanden sind.

Zusammenfassend vereint der Kofferraum des Ioniq 6 ein gutes Basisvolumen mit praktischen Erweiterungsmöglichkeiten, sieht sich jedoch mit einigen Nutzbarkeits- und Flexibilitätseinschränkungen konfrontiert.

Fazit: Der Hyundai Ioniq 6 – Ein Technologiebündel mit exklusivem Design

Nach zwei Wochen intensiver Nutzung und knapp 2000 km auf dem Tacho kann ich sagen: Der Ioniq 6 hat gezeigt, dass Hyundai in Sachen Elektromobilität ganz vorne mitfährt. Ein Auto, das begeistert, polarisiert und letztendlich im Alltagsbetrieb überzeugen kann.

Offizielle Website von Hyundai mit allen technischen Daten:

https://www.hyundai.com/ch/de/modelle/ioniq6.html

Hier der Ad-Hoc x-Thread, den ich über die 14 Tage mit meinen Erfahrungen geschrieben habe:

Transparenzhinweis: Hyundai / Astara haben mir das Fahrzeug für 14 Tage im Rahmen meines Keynote-Speaking Engagements für die Astara kostenfrei zur Verfügung gestellt.

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