Elektrisiertes Fliegen – Ein Erfahrungsbericht von Dr. Mario Herger

Im goldenen Herbst in der Schweiz hatte ich die besondere Ehre, Mario Herger, dem bekannten Zukunftsforscher aus dem Silicon Valley, einen Rundflug im Elektroflugzeug zu ermöglichen.

Mario ist seit Jahren an Trends und Technologien interessiert, beobachtet die Elektrifizierung und die Entwicklung des autonomen Fahrens in Californien sehr genau und war neugierig, was sich im Bereich Luftfahrt entwickelt.

Anbei sein Bericht, der auch auf seinem Blog “Der letzte Führerscheinneuling” erschienen ist:

Mitte Oktober nahm mich der Elektroflugzeug-Weltrekordhalter Morell Westermann in seinem Rekordflieger auf einen kleinen Rundflug über zwei Schweizer Seen mit. Mit dem batterieelektrischen Kleinflugzeug des slowenischen Herstellers Pipistrel demonstrierte er mir den Stand von Elektroflugzeugen. Wie schon bei Elektroautos fällt dieses Vehikel durch die Absenz an Lärm und Vibrationen auf.

Dort wo sich Elektroflugzeuge heute befinden, waren Elektroautos vor 10 Jahren. Und kaum jemand konnte sich damals sich vorstellen, wie verbreitet Elektroautos Ende 2021 sein werden. Tatsächlich waren im Oktober 2021 fast ein Fünftel aller Neuzulassungen in Deutschland batterieelektrische Autos. Wenn sich der Trend so fortsetzt, dann werden ab Mitte 2023(!) die Hälfte aller Neuzulassungen in Deutschland Elektroautos sein. Norwegen ist schon einen Schritt weiter. Dort machen Elektroautos drei Viertel aller Neuzulassungen aus, Benziner und Diesel kommen gemeinsam nur noch mit Mühe auf fünf Prozent. Setzt sich dieser Trend fort, dann werden im Land der Mitternachtssonne im April 2022 die letzten Verbrennungskraftfahrzeuge verkauft. Die Macht von exponentiellen Verläufen bei Technologieadoptionen beweist sich wieder einmal eindrücklich.

Das Geläut der Kuhglocken auf der Weide vor dem Flugplatz Schänis in der gleichnamigen St. Gallener Gemeinde südlich von Zürich ist schon das lauteste Geräusch, das ich die nächste Stunde vernehmen werde. Der Zukunftsforscher und Elektroflugzeug-Weltrekordhalter Morell Westermann hat mich nämlich eingeladen, auf dem Weltrekordflugzeug einen kleinen Rundflug zu unternehmen. Dabei überflogen wir in einer Schleife zuerst südöstlich zum Walensee, und dann über den Zürich- und Obersee, um nach knapp 40 Minuten wieder zu landen.
Das Besondere ist dabei das Flugzeug selbst: es stammt vom slowenischen Kleinflugzeughersteller Pipistrel, der die ersten Elektroflugzeuge produziert. Die Velis Electro ist ein 428 Kilogramm leichter Zweisitzer, deren elektrische Batterie mit einer Kapazität von 24,8 kWh mit einer Kraft von 57,6 kW ein maximales Startgewicht von 600 Kilogramm in die Lüfte bringt. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 108 Knoten (200 km/h) und überbrückt mit dieser Batteriekapazität eine Strecke von 100 Kilometern. Tatsächlich aber könnte durch den Propeller auch rekuperiert werden, wie wir das schon im Elektroauto beim Bremsen und Bergabfahren kennen. Aktuell ist diese Funktion aber noch nicht zugelassen.
Das Auffälligste während des Flugs sind die Stille und das fehlende Vibrieren, die sonst einen Flug dominieren. Diese Eigenschaft des Elektroflugzeugs erlaubt auch den Einsatz der Maschine an Flugplätzen, die für Segelflieger vorgesehen sind und zu Zeiten, in denen Flugverkehr aus Lärmschutzgründen nicht vorgesehen ist. Dieses spezielle Flugzeug wird am Flugplatz Schänis, wo unter den 500 Piloten 350 den Segelfliegerschein haben, vor allem zur Schulung eingesetzt. Damit ist die Maschine vorwiegend für Platzrunden im Einsatz, taugt aber kaum zum Langstreckenflug.
Der Platz in der Maschine selbst ist beengt, dafür bekommt man das Fliegen viel unmittelbarer mit. Man fühlt sich beinahe schon wieder wie die Flugpioniere, die mit Brille und Lederhelm im Offenen saßen. Auch das Instrumentenpanel ist aufgeräumter und übersichtlicher als bei Flugzeugen mit Verbrennungsmotoren. Laut Morell befindet sich die Elektroaviation auf dem Stand, auf dem Elektroautos vor 10 Jahren waren. Von den angestiegenen Investitionen in die Batterieentwicklung für Elektrofahrzeuge profitiert auch die Flugzeugindustrie. Noch gibt es auf dem Fluglatz Schänis, wie auch auf den anderen Flughäfen, noch keine installierten Ladestationen, doch mit den transportablen Ladestationen lassen sich die Flugzeuge schon heute beladen. Im Durchschnitt benötigt der Ladeprozess etwa eine Stunde.
Das Schweizer Wetter jedenfalls war uns wohlgesonnen, und der vorhergesagte Regen und der Wind waren woanders vorbeigezogen.

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