Teil 2 – Wann fliegen wir elektrisch

Oder wie die Kombination von künstlicher Intelligenz, elektrischem Antrieb und neuen Geschäftsmodellen erfolgreich sein wird.

Im Teil 1 der Serie  – „Die Zukunft der Luftfahrt“ – wurde die Auswirkung der Elektrifizierung eines Flugzeuges auf sein Design betrachtet. Mit dem neuen Antrieb ergeben sich völlig neue Flugzeugformen, die sich ohne computergestützte Fluglagenregelung nicht in der Luft halten lassen. Damit stellt sich auch die Frage, welche Aufgabe Piloten in der Zukunft haben werden oder wie eine Pilotenausbildung im Jahre 2030 aussehen wird.

Beim Vergleich mit der Elektromobilität am Boden wird klar, dass sich der elektrische Antrieb in der Retrospektive schnell durchgesetzt hat. Elektrofahrzeuge verzeichnen exponentielle Zulassungszahlen und gehören heute zum normalen Straßenbild. Genauso werden elektrische Flugzeuge und ihre Ladekabel in den Hangars in einigen Jahren keine verwunderten Blicke mehr auf sich ziehen.

In diesem Teil der Serie wird beleuchtet, was die Treiber für die neue Formen der Mobilität sein werden und welche Geschäftsmodelle sich daraus ergeben.

Warum elektrisch

Der elektrische Antrieb hat erhebliche Vorteile gegenüber einem Verbrennungsmotor: Der e-Motor ist ein wesentlich simplerer, kompakterer Motor. Im Grunde dreht sich nur eine Welle auf zwei Lagern gegenüber einer Vielzahl von Teilen in einem Verbrennungsmotor. Damit ist der Wartungsaufwand massiv reduziert, was sich auch in den Betriebskosten widerspiegelt.

Das Drehmoment eines e-Motors liegt über einen großen Drehzahlbereich an und lässt sich schnell und fein dosiert regeln. Dabei ist die Lärmentwicklung praktisch nur dem Propeller geschuldet. Das vibrationsfreie Triebwerk ermöglicht leichtere Aufhängungen und durch die geringe Grösse und Gewicht eines e-Motors können die Antriebe an aerodynamisch günstige Positionen verteilt werden.

Der Treibstoff „Strom“ lässt sich günstiger produzieren als sein fossiles Pendant. Strom lässt sich via regenerativer Energien CO2 neutral produzieren und wird damit eine Schlüsseltechnologie, wie unsere Mobilität klimaneutral werden kann. Alles Vorteile, wann also wird der e-Motor das Kolbentriebwerk ersetzen?

2025 wird den Tipping Point der Aviatik markieren: der e-Antrieb wird billiger und besser als der Kolbenmotor sein.

Wenn die Energiedichte der Akkus die „magischen 500 Wh/kg erreicht hat, liegt das Leistungsgewicht des e-Antriebes mit dem klassischen Kolbentriebwerk gleichauf. Heutige liegt die Energiedichte der Akkus bei etwa 250 Wh/kg und wenn sich die Akku-Technologie wie bisher weiterentwickelt, können wir etwa 2025 mit Energiespeichern rechnen, die den Tipping Point in der Aviatik markieren: Der e-Antrieb für Kleinflugzeuge wird unter den Gesichtspunkten Leistung, Bedienung, Wartung und Preis besser und günstiger sein, als das klassische Kolbentriebwerk. Dazu stossen wir mit der Elektrifizierung in Wirkungsgradbereiche vor, die mit herkömmlichen Antrieben nicht erreichbar sind und damit den Nachteil der geringeren Energiedichte von Batterien zum Teil schon heute kompensieren.

Das ist auch der Grund, warum das Lilium-Konzept so interessant ist: Wer Eishockey spielt, rennt nicht dahin, wo der Puk ist, sondern dahin, wo er sein wird, um ein Goal zu schiessen. Genauso handelt z.B. Lilium, in dem das Unternehmen eine Flugzeugzelle und Geschäftsmodell für die Zukunft entwickelt: Basierend auf die in der Zukunft angenommenen Rahmenbedingungen. Liliums Geschäftsmodell basiert auf Annahmen bezüglich Urbanisierung der Bevölkerung und der Technologieentwicklung bezüglich autonomen Flugsteuerungen sowie der zukünftigen Leistungsfähigkeit der Akkutechnologie. Wenn die Annahmen richtig sind, wird man mit dieser Strategie das erste Unternehmen am Markt sein und diesen entscheidend mitprägen.

Bis auf die aktuelle Energiedichte der Batterien spricht schon heute alles für den e-Motor, sofern man keine Langstreckenflüge anpeilt. Die für grosse Distanzen benötigten Energiemengen werden mit aktuell absehbarer Technologie elektrisch nicht in einem Flugzeug zu speichern sein.

Synth Fuel

Um aber auch Langstreckenflüge und die grosse Flotte schon existierender Flugzeuge CO2 neutral betreiben zu könne, bietet sich synthetisch hergestellter Treibstoff als Übergangstechnologie an. Die Gesamtenergiebilanz ist zwar heute noch nicht optimal, aber unter der Annahme, dass die zur Herstellung von Synthfuel benötigte Energiemenge regenerativ hergestellt wird, wäre der Prozess eine Lösung, um aktuell in der Atmosphäre vorhandene CO2 in einem Kreislauf zu halten und nicht noch weitere Treibhausgase hinzuzufügen. In der Schweiz gibt es mit e-fuel-aviation.ch ein Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, die heutigen Treibstoffe sukzessive durch e-Fuel zu ersetzen. Damit wäre auch das Kolbentriebwerk klimaneutral!

CO2 Kreislauf via Direct Air Captioning und synthetisierung von Treibstoffen aus regenerativer Energie Quelle: https://www.climeworks.com

Aktuell entwickeln 215 Unternehmen elektrische Flugzeuge

Synthetisierung des Treibstoffes und die Entwicklung der elektrischen Energiespeicher werden parallel verlaufen. Wenn man die Vorteile des elektrischen Antriebes betrachtet und dabei den zukünftigen Entwicklungspfad der Stromspeicher berücksichtig wird klar, warum aktuell 215 Unternehmen weltweit an elektrischen Fluggeräten entwickeln. Die Website Transport UP führt eine schöne Übersicht: Einige der Entwürfe sehen zwar so abenteuerlich und exotisch aus, dass sie direkt einem Science-Fiction-Film entsprungen sein könnten, aber einige davon sind auch außerordentlich seriös finanziert. Bei der grossen Menge Geld die in diesen Projekten steckt, können wir sicher davon ausgehen, dass einige tatsächlich abheben werden. Wenn man die Designs genau anschaut wird klar, diese Fluggeräte werden von Hand nicht zu fliegen sein. Auf der interaktiven Karte von Roland Berger kann man sehen, in welchen Regionen der Welt die eVTOL Entwicklungen stattfinden. Es gibt sogar einige Projekte in der Schweiz (z.B. Ray, Smartflyer, Dufour Aero, H55).

215 Projekte bedeuten auch eine gewaltige Menge Kreativität, gebündelt auf das Thema „Mobilität der Zukunft“. Diese Konzentration von Ingenieurskunst aber auch Risikokapitals auf das Thema „vertikale Mobilität“ ist das Ergebnis von verschiedenen Technologie-Konvergenzen: Die Einstiegshürden sind kleiner geworden als noch zu Gebrüder Wrights Zeiten: Rechenpower ist in Zeiten von Cloud und AI schier unendlich, Konnektivität für den blitzschnellen Informationsaustausch praktisch kostenfrei, Plattformen zum Austausch von Wissen und Erfahrungen sind open Source, 3-D-Zeichnen- und -Drucken hat Einzug auch in die kleinsten Startup Unternehmen erhalten. Die Simulationen von Strömungen, Schwingungen und Bilderkennung sind in zuvor nie gekannter Komplexität möglich. Wenn man jetzt noch exponentielle Entwicklungen in der Akku-Technologie, der Bilderkennung, Sensoren und IoT aller Art hinzunimmt wird klar, dass immer komplexere Herausforderungen in immer kürzerer Zeit zu lösen sind.

2Neuartige Fluggeräte, die wohl kaum von Hand zu fliegen sein werden. Quelle: https://transportup.com/the-hangar/

Bei Vorträgen kommt an dieser Stelle oft der Einwand, dass alle diese fantastischen Entwicklungen immer noch die Hürde der Zulassung nehmen müssen, deren Reglemente für die neuartige Technologie nicht ausgelegt sind. Das ist in der Natur der Sache, dass die Entwicklung ihrer Reglementierung vorauseilt. Regeln sind menschengemacht und werden auch von Menschen entsprechend dem Druck von Aussen oder neuen Möglichkeiten immer wieder angepasst. In der Schweiz noch dazu basierend auf einem demokratischen Prozess, den wir alle mit beeinflussen können.

Ausblick

Nachdem wir in Teil 1 einen Eindruck von der Geschwindigkeit dieser Entwicklungen bekommen haben und in diesem Teil 2 den Weg zur klimaneutralen Fliegerei betrachtet haben, beleuchtet Teil 3 die Entwicklung zum autonomen Flugsteuerungssystem und die Vorteile und Chancen von eVTOL für die Schweiz und jeden einzelnen von uns.

„Wann wird die künstliche Intelligenz den Piloten ablösen“ erscheint im Herbst 2020

Wer noch tiefer in das Thema einsteigen möchte:

Podcast CLEANELECTRIC

Podcast Audiodump

 

 

In beiden Podcasts sind kurzweilige und knackige 3-4h Episoden entstanden. Ein Glück, das Internet hat ja Platz. Ganz im Gegensatz zum Fernsehen, bei dem es gerade mal ein paar Minuten-Beiträge geworden sind:

Die Zukunft der Luftfahrt im Schweizer Fernsehen (klick auf das Bild)

SRF “10 vor 10”

SRF Tagesschau

Dieser Artikel ist zu erst bei der Zeitschrift Cockpit erschienen, wer die nächsten Artikel in der Serie per Newsletter erhalten möchte klickt hier

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