Der wahre Wert von Tesla
Oder: Warum die Daten aus dem Tesla-Universum viel wichtiger sind als die Model-3-Produktion
Den Podcast zum Artikel gibt es als CLEANELECTRIC Episode 52 unter http://www.cleanelectric.de/der-wahre-wert-von-tesla/ In dem Gespräch sind noch ein paar Themen angesprochen worden, die es nicht in diesen Artikel geschafft haben - und umgekehrt. Es lohnt sich also beides: Lesen und hören. Viel Spaß!
Es sind nicht die paar verkauften Autos
Es ist viel mehr das, was man damit und daraus machen kann. Und da geht es weniger um das Fahren als vielmehr darum, was mit den Daten, die man beim Fahren nebenbei generiert, angestellt werden kann. Oder darum, welchen Wert der “goldene Käfig” hat, in den man sich setzt, wenn man sich in das Tesla-Universum einkauft.
Der Artikel gliedert sich in fünf Abschnitte
- Die Anzahl der produzierten Fahrzeuge im Kontext zum Firmenwert
- Der “Goldenen Käfig”, oder das Monetarisieren der Nutzung des Fahrzeugs
- Tesla als Software- und Hardware-Konzern, der noch einiges mehr als nur den Individualverkehr in Form des PKWs revolutioniert hat oder noch wird
- Risiken und Nebenwirkungen
- Fazit
1. Die Anzahl der produzierten Fahrzeuge im Kontext zum Firmenwert
Im Vergleich mit den “Großen” der Automobilbranche ist Tesla noch immer sehr klein. Aber es sind eben nicht die paar verkauften Autos, die den Wert von Tesla ausmachen:
Tesla hat seit der Firmengründung 2012 bis heute (März 2018) etwas über 300.000 Fahrzeuge bis heute verkauft. Quelle: Tesla Live counter
Zum Vergleich VW: trotz Dieselskandal im gleichen Zeitraum knapp 60 Millionen Fahrzeuge weltweit, inklusive Nutzfahrzeuge. (Quelle: Konzernbericht VW)
VW verkaufte also 196-mal so viele Autos wie Tesla im gleichen Zeitraum oder anders gesagt: VW verkaufte in 2016 in weniger als drei Tagen so viele Autos wie Tesla im ganzen Jahr.
Schiere Menge kann also den Wert von Tesla nicht rechtfertigen. Aber kann man Tesla mit den klassischen Maßstäben messen? Immerhin ist Tesla der einzige Automobilhersteller, der es in der letzten Dekade geschafft hat, eine relevante Grösse zu erreichen – alle anderen automobilen Versuche nach der Gründung von GM sind gescheitert. Erst in den letzten Jahren ist das wieder interessant geworden, siehe Sono Motors, Streetscooter oder auch BYD, wenn man bis nach China schauen möchte. (Siehe auch hier)
Also, was macht Tesla richtig?
Tesla baut ein komplettes Ökosystem “nachhaltige Mobilität”. Von der Stromerzeugung, Speicherung, Bereitstellung und Nutzung in Form von Mobilität. Und das Lineup von Fahrzeugen reicht inzwischen vom Super-Sportwagen (Roadster 2.0) über Luxuslimousine (Model S) Luxus-SUV (Model X) Mittelklasse (Model 3) bis zu den Nutzfahrzeugen (Semi Truck). Garniert mit Solarzellen und Hausspeicher.
Die Stromtankstellen – Supercharger – noch dazu. Und den gesamten Vertrieb und die Wartung geben Sie nicht via Vertragshändler und -werkstätten aus der Hand, nein, die gesamte Kette wird von Tesla abgedeckt. Und das ist ja nur die eine Facette von Elon Musk. Mit Space X, The Boring Company, Neurallink, OpenAI und Hyperloop ist er aktuell einer der inspirierenden CEOs auf dem Planeten. Meiner Meinung nach. Und nicht zu vergessen, dass er auch mal das Bankensystem via PayPal revolutioniert hat. (“Banking is essential, Banks are not.”)
Wie machen es denn aktuell die anderen?
So gut wie alle anderen Hersteller bauen erstmal nur Autos. Und schon gar nicht die dafür notwendige Infrastruktur aka Ladestationen oder auch nur die Akkus dafür. Autos, die am Tag der Produktion veraltet sind, was die Antriebstechnik betrifft. Da ist nicht mehr viel Optimierungspotential in Richtung Wirkungsgrad. Auch die Abgasreinigung wird zunehmend schwieriger. Oder Softwareseitig: Bei Auslieferung eigentlich schon veraltet und nur sehr aufwändig via Werkstattbesuch zu aktualisieren. Mein Model X dagegen hat im Schnitt alle 8 Wochen ein neues Betriebssystem bekommen. Das Auto hat dazugelernt, der AP ist besser geworden, neue Funktionen sind dazugekommen (Easy Entry Mode, endlich auch mal der Regensensor, etc.), ich habe via Software die Reichweite erhöht (75er-Upgrade) und gleichzeitig noch knapp 1 Sekunde auf 100 geschenkt bekommen. “Uncork the performance” hieß dieses Update. Braucht man nicht, ist aber schön, wenn man es hat. Und krass, dass es geht.
Ich kann mich noch daran erinnern, dass in meinen früheren Autos die Navis veraltet sind bis sie genervt haben, aber für die neue CD/DVD für hunderte von Franken habe ich dann doch nicht gekauft. Tesla nutzt einen Cloud-Service, Google Maps. Die Alternative dazu von VW ist das “Car-Net”. Ich nenne das mal “Connected Car light”: Nur gegen Aufpreis gibt es das Abo-Modell mit Google Maps. So verkauft man keine “smarten” Autos.
Beispiel gefällig, wie man das richtig macht? OtA-Updates der Fahrzeuge alle paar Wochen, siehe oben. Demnächst gibt es auch noch eine komplett neue Navi/Routing-Engine, siehe hier:
Tesla’s new ‘light-years ahead’ navigation and maps engine is ‘almost done’, says Elon Musk
Der “alte Roadster” hat sogar noch Jahre später ein Hardware-Upgrade (Drive Train und Batterie) erhalten, ok, kostenpflichtig. Aber welcher Hersteller hat je ein Fahrzeug derart aktualisiert? Geschweige denn auf Stufe Hardware?
Also zurück zu Tesla. Nach der Einleitung wird eigentlich schon klar, dass man Tesla nicht nur am Wert der verkauften Fahrzeuge, dem Wert der Fabrik, der Anzahl Mitarbeiter oder dem Umsatz messen kann. Tesla sollte man – und das spiegelt auch der volatile Aktienkurs wieder – nach seiner beispiellos innovativen Herangehensweise und dem daraus resultierenden Potenzial bewerten. Und das – so glaube ich – ist ziemlich grenzenlos. Solange Elon Musk sagt, wo es lang geht, auf jeden Fall.
Seit Erfindung des Internets sehen wir jeden Tag, dass der Wert von Unternehmungen heute viel mehr über ihre Fähigkeit “Daten” zu aggregieren definiert wird, anstatt Werte wie Immobilien oder Maschinen zu besitzen. Die Plattform macht es aus. Uber oder Airbnb sind da gute Beispiele: Uber ist der größte Taxidienst der Welt ohne ein eigenes Taxi, und Airbnb hat die meisten Übernachtungen aller Hotelketten ohne ein einziges eigenes Bett.
Wo ist denn jetzt genau die Tesla-Plattform?
2. Der “Goldenen Käfig”, oder das Monetarisieren der Nutzung des Fahrzeugs
Tesla hat als Big Data Company ein riesiges Potential zum Guten, aber auch Risiken, die auch wir Zukunftsforscher nur erahnen können:
Tesla umschließt seine Kunden mit einem unvergleichlichen Ökosystem, gleich einem goldenen Käfig. Das ähnelt sehr Apple, die ebenfalls ziemlich genau wissen, wer ihre Kunden sind und was die mit den Geräten anstellen oder wo sie sich befinden. Apple hat sogar von seinen meisten Kunden die Kreditkartendaten. Im Gegensatz dazu die meisten anderen Automobilhersteller: Sie bauen auch Autos, nur haben sie eigentlich keine Beziehung mehr zu Ihren Kunden, da alles über Händler abgewickelt wird. Wer dagegen seinen Tesla via App fernsteuern oder auch nur fahren möchte, hat einen Tesla-Account.
Es geht weniger um das Auto und das Fahren an sich, sondern vielmehr darum, wie sich das Fahrzeug während seiner Nutzungsdauer weiterentwickelt und was man (in diesem Fall vor allem Tesla) mit den Daten anstellen kann, die bei der Nutzung anfallen. Oder wie man mit Hilfe der Daten das Fahrzeug noch nutzen und monetarisieren kann.
Schauen wir uns doch mal an, welche Sensoren so ein Auto hat und welche Arten von Daten so ein Tesla generieren kann:
Auto Pilot Kameras, GPS, Routen Infos, Temperatur, Beschleunigungssensoren, Sitzbelegungssensor, Stromverbrauch, Kalender, Telefonbuch, Kontakte, Call-List, Musik/Radio/Podcasts…
Es liegt auf der Hand, dass GPS und Kameras am interessantesten sind. Aber auch die anderen Daten haben es in sich. Eins nach dem Anderen:
Wie man als Tesla mit den AP-Kameras Geld verdienen könnte:
Nehmen wir mal nur als Beispiel die AP-Kameras. 8 HD-Kameras fährt so ein Tesla mit AP 2 durch die Gegend. Das Model 3 hat sogar noch eine auf den Fahrer gerichtete Kamera. Was kann man mit den Bildern machen, oder wie könnte man daraus Wert oder einen Service generieren?
Quelle: Tesla
Diese Kameras zeichnen also auf meinen täglichen Fahrten ununterbrochen die Umgebung auf. In High Res, High Quality, so oft wie ich mein Auto nutze. Google musste für Google Street View noch Studenten mit Autos aufwändig herumfahren lassen. Oder via Gamification (Ingress und Pokémon Go) das von den Usern via Gameplay gesteuert erledigen lassen. Beides aufwändig und lückenhaft im Vergleich zu der Möglichkeit, die Tesla nun hat. Man stelle sich einfach mal vor, Elon Musk ruft Larry Page an und schlägt ihm die kostengünstige Nutzung seines Datensatzes vor… lustig, wenn man sich vorstellt, dass es noch einzelne Hausbesitzer gab, die Ihr Haus in Google Street View haben verpixeln lassen.
Aber wer sagt denn, dass die Kameras nur bei der Fahrt aktiv sind? Die Batterie wäre ja gross genug um einige (VIELE!) Stunden Betrieb der Kameras sicherzustellen… Da sieht eine Dashcam wirklich alt dagegen aus (Was wäre das Internet nur ohne russische Dashcam-Videos), aber man stelle sich vor:
Parkschaden mit Unfallflucht oder Vandalismus? Ein Anruf bei Tesla und der Verursacher steht fest. Aber auch den Anruf kann man sich dann bestimmt sparen, wenn der Versicherer eine besonders günstige Prämie offeriert hat unter der Voraussetzung, auf alle diese Daten zugreifen zu dürfen.
Oder Tesla vermietet die Daten an Regierungen, Behörden, Kommunen:
So eine Flotte parkender Autos mit einer aktiven Sensorsuite wie sie Tesla momentan verbaut (die 8 AP-Kameras, Radar, Ultraschall) – könnte man das nicht auch für die Überwachung des öffentlichen Raumes verwenden? Einbruch in der Bank nebenan? Schlägerei, Handtaschendiebstahl, zu Fuß bei Rot über die Ampel? Wer hat das Video?
Oder etwas weniger angsteinflössend, auch zu Gunsten der Gesellschaft gedacht:
Temperatur
Das Wetter für morgen? Das wird umso genauer vorhergesagt, je enger das Netz der Messstationen ist. So ein Tesla hat Sensoren für Temperatur, via Kameras kann das Wolkenbild identifiziert werden, die Sonneneinstrahlungsintensität via Innenraumtemperatur, wahrscheinlich hat das Ding auch einen Luftrucksensor. All diese Live-Daten aus einem engmaschigen Sensornetz, so konnte man sich das bisher nie vorstellen. Da sollte doch was zu machen sein, abgesehen von den genaueren Reichweitenvorhersagen in den Bordcomputern und Navis der Fahrzeuge?
Tracking Data – hier nochmal für alle Aluhutträger:
Da fällt mir spontan das Fahrtenbuch, die Steuer und auch Maut-Abrechnungen ein. Mal abgesehen von Park-Leit-Systemen, Stauvorhersagen, dynamischen Ampelschaltungen und natürlich der Überwachung des Kontaktnetzwerkes – wer fährt wohin, wie oft, wann, trifft sich mit wem… Aber das geht ja schon alles über das Handy. Also keine Sorge.
Falschparken kann man übrigens spätestens aus den Gemeindebudgets streichen, wenn das Auto autonom fährt: Wenn ich das Auto an der Oper verlasse und nach der Vorstellung wieder zu mir rufe (KITT, ich brauch’ dich!) wird das autonom fahrende Fahrzeug nicht falsch parken. Aber bis wir dort technisch und juristisch sind, könnte die Geo-Position doch noch ganz spannend für die Bußenzettel sein. Parkuhr und Politesse adé. Tesla macht das übrigens jetzt schon, um die “Camper” auf den Supercharger-Plätzen zu vertreiben… Der Algorithmus und das Abrechnungssystem sind also schon vorhanden.
Oder auch schön: Strafzettel für Übertretungen der Geschwindigkeit werden irrelevant. Die Polizei mit Zugriff auf die Logs könnte monatliche, rabattierte Abrechnungen senden, ist doch auch ganz praktisch und hilft, den Gebührenapparat in den Verwaltungen abzubauen. Gegen eine kleine Umsatzbeteiligung lässt sich da sicher was in den Datennutzungsbedingungen regeln. Schöne neue Welt.
Beide Sensoren zusammen, GPS und Kamera, bedeutet übrigens das Ende jeder Dashcam und ist sehr hilfreich für alle Arten von Unfallaufklärung.
Beschleunigungs-Sensoren
Spannend könnte auch die Analyse des Fahrstils sein. Via Beschleunigungssensoren. Wer immer ein paar G’s auf der Uhr hat, fährt wohl wenig materialschonend. Das könnte die Frage nach Garantieleistungen interessant machen, dürfte aber auch die Versicherungen interessieren. Das Thema Garantie hat Tesla schon mal angetestet: Der Model S P100D Besitzer der gerne Drag-Race fährt, hat den Screenshot mal publiziert, als Tesla ihm mitgeteilt hat, dass die “Ludicrous-Beschleunigung” für ihn nun deaktiviert wäre, da man vorzeitigen Verschleiß des Antriebs befürchtet.
Tesla musste zwar zurückrudern, aber es zeigt, dass die Thesen hier nicht so weit hergeholt sind. In der Fahrzeuganleitung steht sogar was alles
Ein Krankenversicherer oder auch der Autoversicherer könnte daran interessiert sein, wie lange ich arbeite oder fahre, am Fahrstil ablesen wie aggressiv oder gestresst ich bin. Hier helfen dann auch die Mikrophone im Auto, denke ich, aber das wäre eine ganz andere Geschichte… Diese Daten sind mindestens mal noch relevant, bis das Auto selbst fährt…
Wie in einer Diskussion auf Teslerati aufgezeigt, werden aktuell schon Fahrereingriffe im Autopilotmodus, Straßenklassifikationen und Fahrzeuggeschwindigkeit in Kurven erfasst. Die Fahrereingriffe zeichnen auf, wann immer ein Fahrer die Lenkung übernimmt, die Bremsen oder den Autopilothebel betätigt. Das geschieht im Sinne des Deep-Learnings, aber all diese Daten stehen im direkten Zusammenhang mit dem Fahrstil, also der Risikobereitschaft. Warum nicht daraus ein Bonus-Malus-System bauen?
Aber will man später vielleicht nicht doch selber fahren – so zum Spaß? Vielleicht will man das. Aber wenn die Autos autonom fahren, da bin ich mir sicher, werden die Versicherungen günstig. Sehr, sehr günstig. Und sehr teuer, wenn man selber fahren will.
Nun, ist das ultimative Fahrerlebnis nicht das Fahren am physikalischen Limit? Wäre es nicht noch schöner ohne das Risiko des menschlichen Versagens? Sogar Richard Hammond (Top Gear) hat einen Rimac Concept One – den 1.1 Millionen teuren Elektro-Supersportwagen – durch Fahrfehler (HINTER der Ziellinie) zerstört – siehe das verwackelte Youtube Video. Und sein Knie dabei auch. Und der kann fahren. Neben Stig und den anderen beiden vielleicht wahrscheinlich besser als der Durchschnittliche Top Gear Zuschauer.
Bestimmt wird sich ein Versicherer finden, der später auch das menschliche fahren versichern wird. Ob das aber die x-mal höhere Prämie wert ist? Oder “Pay per Use”, wenn man die Tracking Daten freigibt.
Kalender, Telefonbuch, Kontakte, Call-List, Musik/Radio/Podcasts
Bei Google sind ja die eigentlichen Produkte die Nutzer, nicht wie oft fälschlicherweise angenommen wird die netten Apps wie Gmail, Maps, Kalender, Drive, YouTube (gehört auch Google, by the way). Klar sind die Apps super praktisch, kostenfrei und gut zu benutzen, aber angefangen bei Gmail, das meine E-Mail liest, über den Kalender, der weiß, was ich vorhabe, bis hin zu Google Maps, das mir den Weg dahin vorgibt, oder Docs, Hang Outs, Tables: alles aus der Google-Welt ist designt, um Daten und Content über mich zu sammeln und es an die Werbeindustrie zu verkaufen. Wer mal die Spitze des Eisberges sehen will, schaut mal in seine “Timeline”. Oder googelt mal danach. Da bleibt einem die Spucke weg. Das Sammeln und Verkaufen von Daten ist Googles Geschäftsmodell, genau wie bei Facebook. Was, wenn Tesla das genauso machen würde, denn bis auf die E-Mails kommt ein Tesla auch an ziemlich viele Informationen von mir, oder mindestens mal an alles, was in meinem Handy ist:
Kalender – ist im Tesla freigegeben. Ist ja auch praktisch. Telefonbuch? Klar. Call-List? Sicher. Was ich an Musik streame, welche Podcasts ich höre: alles im Entertainementsystem. Shazam wurde gerade für 400 Mio. von Apple gekauft. Nur um herauszufinden, was die Menschen gerade für Musik hören wollen. Tesla muss dafür keine 400 Mio. auf den Tisch legen, die Millionen Fahrzeugnutzer offenbaren das in ihren Entertainmentsystemen kostenfrei.
Viel Spaß in der schönen, neuen Tesla-Welt, wenn man im klassischen Sinne Wert auf seine Privatsphäre legt.
Wie man mit einem Sitzbelegungssenor Geld verdienen kann
Wollen wir mal ein Szenario für einen Sensor entwerfen, der vielleicht nicht im Fokus der Monetarisierung von Daten liegt? Der Sitzbelegungssenor. Wenn ich all diese oben schon angesprochen Daten noch mit dem Sitzbelegungssensor kombiniere, die Sitzheizung und Airbag brauchen den sowieso, kann man das super in einer Tesla-Ride-Sharing-App verwenden, um die noch verfügbaren Sitzplätze für diese Fahrt zu identifizieren. Uber 2.0. Und da ich einen Tesla eh via App öffnen und auch fahren kann, ist auch ein klassisches Carsharing-Modell super machbar. Man stelle sich einfach mal vor, Tesla bietet mir in einer der nächsten Software-Updates an, mein Fahrzeug in einem Uber-ähnlichem Konzept zur Verfügung zu stellen. Und während ich 8 Stunden im Büro sitze, kann mein Auto 8 Stunden davon vermietet werden und generiert für mich ein Zubrot oder refinanziert den Wertverlust. Natürlich verbleibt ein kleiner Anteil für die zur Verfügung gestellten Plattform bei Tesla. Soll ja ein Win-Win-Geschäft sein. Nun ja. In der Anleitung zum Fahrzeug findet sich unter dem Abschnitt “Fahrzeug Telematik” ein spannender Absatz, welche Daten Tesla aktuell schon sammelt. Kurz: Alle. Wie war das gleich noch mit Uber? “Uber will be cheaper, as soon we got rid of the driver”. Wie war das noch mit Tesla? “All cars currently in production are equipped with fully self-driving capability hardware“. Jetzt noch kurz den aktuellen Wert von Uber prüfen, autonomes Fahren voraussetzen und das Potential von Tesla abschätzen.
3. Tesla als Software und Hardware-Konzern, der noch einiges mehr als nur den Individualverkehr revolutioniert hat oder noch wird
Das Thema “welche Industrien Tesla mit Ihren Fahrzeugen, Strategien und Technologien beeinflusst oder sogar revolutioniert und die Kategorie “Zukunftsvision” auf meinem Blog decken diese Themen ab, aber es sind neue Gedanken dazugekommen:
Wie groß muss zum Beispiel eine Batterie zum Fahren sein – 100kwh oder eher 15? Muss die Reichweite wirklich 500km “off the grid sein” oder reichen 150km?
Das hängt natürlich von der Ladeinfrastruktur ab und davon, ob wir nicht doch irgendwann das Elektroauto mit der unendlichen Reichweite haben. Auch das habe ich schon einmal hier beschrieben. Aber die induktive Ladung für “Reisegeschwindigkeit” für die unendliche Reichweite hat ihren Reiz, zumal man die dafür notwendige Infrastruktur im Zuge der Straßenerneuerung kostengünstig verbauen könnte. Wieviel Prozent der Hauptverkehrsadern/-strassen werden pro Jahr erneuert? Wann wäre dann flächendeckend induktive Ladung etabliert? Wahrscheinlich eher als alle in Betrieb befindlichen Verbrenner das Ende Ihrer Lebensdauer erreicht haben.
Apropos Akku: Der Fahrakku ist generell viel zu schade, um nur damit zu fahren. Wir fahren etwa eine bis zwei Stunden am Tag. Und 22 bis 23 Stunden steht der Akku auf Rädern herum, wobei der Akku etwa 30% des Fahrzeugwertes beim Tesla ausmacht. Warum nicht tagsüber als Speicher für den Solarstrom und abends fürs TV-Gucken verwenden?
Oder das E-Auto im Sharing? Wenn eine teure Ressource durch viele genutzt wird, anstatt rumzustehen, wird sie günstiger. Viel günstiger.
Sobald wir die Akkus im großen Stil als Grid-Puffer verwenden, werden wir auch einige Netzprobleme der Zukunft gelöst haben. Energieerzeugung wird sich nämlich von zentral zu dezentral entwickeln, und elektrische Pufferspreicherkapazität wird die neue Währung. Und da ist Tesla sehr gut aufgestellt. Siehe Power-Pack-Projekte rund um die Welt. (Hier)
Und alle wollen früher oder später E-Mobilität. Wenn der Bedarf an Akkus um den Faktor 100 oder sogar 1.000 steigt… wer baut die dann? Ich denke, Tesla mit der Gigafactory ist da gut aufgestellt, vor allem wenn man Lars’ Kommentar aus CLEANELECTRIC-Episode 51 hört, in dem er davon ausgeht, dass wir locker den Faktor 100, eher 1.000 an Bedarf ansetzen können. Und wie so oft wird die Nachfrage den Preis regeln. Und damit über den kleinen Umweg auch den Wert des Lieferanten: Tesla.
Danach werden die ersten Strom-Tarif -Modelle auf den Markt kommen, mit denen man beim “Verbrauchen” (Aufladen des Autos) Geld verdient. Gibt es übrigens schon (siehe hier, den ganzen Artikel dazu hier)
Die neue Währung in einer Welt der nachhaltigen Energieversorgung wird nämlich Speicherkapazität sein, nicht Erzeugungskapazität. Die wird nahezu gar nichts kosten, die Sonne schreibt nämlich keine Rechnung. (Wind auch nicht…)
Damit wird das kostenfreie Superchargen auch relativiert. Das wird eh überbewertet: Wenn man bedenkt was Strom kostet: 30.000km/Jahr = ca. 800 CHF (25kwh/100km = 7.500kwh bei 0.1chf/KWh sind das 750 CHF oder bei 0.2 CHF 1.500 CHF, je nach Tarif)
Ich kann gar nicht mehr aufhören darüber nachzudenken, was Tesla alles für Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und Industrien haben wird. Das heißt nicht, dass ein anderer Hersteller das nicht auch könnte, aber Tesla macht das alles schon!
Oder was ganz Verrücktes: Jeder Besitzer eines Teslas wird auch Betreiber eines kleinen Rechenzentrums. Vielleicht bezahlt mich Tesla ja sogar dafür, aber vielleicht nutzen sie einfach nur die Ressourcen, die ich sogar bezahlt habe. Beispiel: Was macht meine “autonous driving unit”, mein persönlicher Super-Computer, wenn ich nicht fahre? Bitcoin mining? Image recognition? SETI@tesla? Provide cloud computing power? Who knows. Und wer weiß, ob nicht Tesla schon Geld damit verdient. Amazon Web Services und Microsoft Azure müssen dafür jeweils Rechenzentren bauen, die sie selber bezahlen. Und in der Cloud oder Infinitive-Computing-Welt ist “consumption” die neue Währung… Wie genial, sich das Rechenzentrum auch noch von seinen Kunden bezahlen zu lassen und zu nutzen, wenn sie es nicht brauchen.
In der Übergangsphase von assistiertem zu autonomen Fahren: Nutzen der Daten, um zu schnelle Kurven im Vorfeld zu erkennen? Macht Tesla schon heute. Nutzen der Sensor-Informationen der anderen, um Gefahren (vereiste Fahrbahn), Stau hinter Kurven etc. schon zu erkennen, bevor man selber “da” ist. Und jetzt verkauft Tesla die Daten an die Verkehrsfunk-Provider…
Oder: Wenn der Unfall unvermeidlich ist (menschliches Übersteuern geht ja aktuell immer – siehe ungewollte Beschleunigungen) schon mal die Fenster zu machen, den Sitz aufrecht stellen, die Gurte straffen (Mercedes nennt das pre-safe), aber beim Einschlag prüfen, ob der Airbag bis zur maximalen Stufe ausgelöst hat (die meisten sind heute 2-stufig, um die Insassen nicht unnötig ein Kissen ins Gesicht zu schleudern) und dabei schauen wie viele Sitze belegt (und davon angeschnallt waren), den G-Meter auslesen und schauen, ob man die Ambulanz (für die, die angeschnallt waren) oder, wenn der Sensor 180G registriert und keine Überlebenschance mehr besteht, eben die Leichenwagen zu rufen hat. Post-crash-workflow-optimization. Da sage noch einer manuelles Fahren wäre sicherer als autonom. Ich sage nur so viel: Wenn die Sichtflug-Bedingung unterschritten werden, geht man auf IFR. Und wenn das der Mensch nicht mehr im Griff haben kann, handelt eben der Autopilot.
Ich frage mich immer, warum die Menschen in ein vom Computer gesteuertes Flugzeug steigen, aber autonome Autos gefährlich finden, wenn – unterhalb der Grenze des menschlich machbaren Wetters – der Autopilot eh landen muss. Ja, der Pilot gar nicht mehr landen darf! Was ist jetzt sicherer?
Nehmen wir also an, der Autopilot ist bald tatsächlich besser als der menschliche Fahrer. Nehmen wir mal an, Tesla ist hier der erste Hersteller, der das geschafft und bewiesen hat. Und was, wenn dann alle plötzlich nur noch autonom fahren wollen? Und Tesla dann ihre eigene AP-Software plötzlich an alle anderen lizenziert? Oder womöglich noch einen autonom fahrenden Truck herausbringt? (Trucks sind üblicherweise besser ausgelastet als Personenwagen und damit ist der Businesscase dafür viel mächtiger). Wie steht es dann mit dem Wert der Firma, die plötzlich die gesamte Logistikindustrie aus den Angeln heben kann? Wer fragt dann noch nach Stückzahlen? Das schöne an Software ist doch, dass ich sie einfach kopieren und Geld verdienen kann, dafür muss man gar keine Bleche pressen.
4. Risiken und Nebenwirkungen
Fleet-wide-Hack auf die Tesla Flotte. Das größte Risiko für den Wert von Tesla ist zweifelsohne ein signifikanter Hackerangriff auf ihre Infratruktur. Wie sicher ist zum Beispiel der Update-Prozess der Software – wir denken da an Wannacry. Oder ein Angriff auf die Tesla-API, über die auch mein Handy auf das Fahrzeug zugreift, um weltweit Zugriff auf die Fahrzeugflotte zu haben. “Weiterfahren nach Lösegeldzahlung” ist die eine Idee. Aber was, wenn alle Teslafahrzeuge einfach alle mal beschleunigen…?
Oder weniger sichtbar für die Nutzer: Was genau macht der Tesla mit dem Strom, den er über Nacht verbraucht, ist das wirklich nur der “Vampire Drain”, die Selbstentladungsrate der Batterie? Oder was genau ist in den Datenpaketen, die das Auto über mein WLAN hochlädt? Minen die am Schluss doch Bitcoins auf der AP2.0-Hardware oder für einen guten Zweck SETI@Tesla statt SETI@Home? Oder vielleicht sogar Mining -Trittbrettfahrer auf der Tesla-Cloud? Siehe hier. Genügend GPU-Power ist im Auto ja vorhanden…
So oder so, Datenschutz und Dateneigentum wird bei derart vernetzten Fahrzeugen interessanter. Hier der entsprechende Abschnitt zum Thema Datenschutz im Tesla Model X Handbuch
Nicht nur,dass wir gläserner werden. Bei einem Unfall, z.B. bei später mal aktiviertem Autopilot Level 4 oder 5 – volle Autonomie – wäre es schon interessant zu sehen, wer versagt hat: der Mensch oder die Maschine. Das lässt sich aber nur via Logfiles nachweisen. Und wenn der Hersteller zuerst Zugriff auf die proprietären Daten hat, wie glaubhaft sind die Auswertungen der Hersteller dann, wenn sie ggf. gegen Sie verwendet werden könnten? Heute ist es so, dass die Hersteller zuerst auf die Sensordaten zugreifen und deren Auswertung und Weitergabe kontrollieren können. Und es gibt ein Interesse, den Fehler eher beim Fahrer zu suchen. Wäre es nicht fairer, wenn erst neutrale Sachverständige die Daten erhalten würden?
Auch Versicherungen sind sicher heiß auf die Daten: An die Stelle der Solidargemeinschaft der Versicherten treten Tarife, die das individuelle Verhalten überwachen. Die Krankenversicherungen haben mit den Fitnesstrackern schon damit angefangen – das ist also nicht weit hergeholt. Wer in Zukunft viel und schnell beschleunigt, in den Kurven driftend und hart bremst zahlt mehr. Schöne neue Welt. Orwell’s Vision war dagegen ein Kindergeburtstag.
5. Fazit
Mit der Vernetzung der Fahrzeuge wächst das Risiko eines flottenweiten Angriffs. Das wäre fatal, aber Tesla ist sich des Risikos bewusst. Galvanische Trennung von Entertainmentsystemen von Fahrzeugsystemen, Bug-Bounty-Programm, Softwareentwicklung wie beim Flugzeugbauer.
Dem gegenüber stehen mächtige Vorteile und Geschäftmodelle, die Fahrzeuge weit über das reine “Fahren”, nämlich durch ihre Vernetzung zu monetarisieren. Wenn man sich das Gesamtkonstrukt “nachhaltige Mobilität und Energieversorgung” anschaut, dass Tesla derzeit mit aktuell verfügbaren oder angekündigten Produkten beliefert wird, wird klar, warum ich eingangs behauptet habe, dass der wahre Wert von Tesla nicht die Anzahl der produzierten Fahrzeuge ist, sondern das Potenzial des Tesla-Universums zählt. Und warum Tesla den “anderen” um so viele Jahre voraus ist.
Das Entwicklungs- und Marktpotential für das gesamte Tesla-Universum ist gewaltig groß. Und damit das Potenzial für Tesla, im Wert noch gewaltig zu steigen. Wer will da noch über Produktionsanlaufschwierigkeiten und Spaltmaße diskutieren, wenn man ein solches Potenzial hat, so viele Geschäftsmodelle, Industrien und schlussendlich die Gesellschaft zu revolutionieren.
Noch nicht genug zu dem Thema gelesen:
Artikel die sich auf meinem Blog mit diesem Thema beschäftigen finden sich in der Kategorie “Zukunftsvision”. Wer ausserhalb von Morellife.com schauen will, dem sei der Blog Der letzte Fuehrerscheinneuling empfohlen, den lese ich auch gerne und insbesondere der Artikel hier (Warum ist Tesla so viel wert? Blase oder echte Werte?) passt gut zum Thema oben.
Spannende Podcasts zu dem Thema finden sich bei cleanelectric.de. Wer über den Podcast auf dieser Seite gelandet ist, darf gerne einen Gruß hinterlassen. Alle anderen natürlich auch.
Wow, liefert wieder einmal sehr spannende Denkanstöße. Danke
Hut ab, so kann/ sollte man die Zukunft denken. Jedenfalls haben Sie toll die Risken und Möglichkeiten gezeigt. Model 3 für mich nicht erstrebenswert. Danke nochmals!
Josef aus Österreich
…und das habe ich vor 2 Jahren geschrieben…